Ein Kommentar und die Folgen…

Hier ein offener Brief von Frank Wechsel (Herausgeber der Triathlon):

Sehr geehrte Mitglieder des Präsidiums der DTU und ihrer Landesverbände,
sehr geehrte Mitglieder des Bundesligaausschusses, liebe Veranstalter, lieber Athletensprecher,

sechs Wochen sind nach der Veröffentlichung meines Kommentars zur Deutschen Triathlon Liga vergangen – kaum ein in der Zeitschrift triathlon behandeltes Thema hat so viele, aber auch so kontroverse Rückmeldungen hervorgerufen wie dieses. Ich erlaube mir, den an vielen Stellen begonnenen Diskussionsfaden mit dieser Mail erneut aufzunehmen und einen 10-Punkte-Plan als Arbeitsgrundlage vorzulegen – vielleicht auch als Anregung zu weiterführenden Diskussionen im Rahmen der Verbandsratssitzung am kommenden Samstag und danach.

Ein Kommentar und die Folgen

In meinem Kommentar „Stillstand ist Rückschritt“ habe ich – auf zugegebenermaßen provokante Weise – auf das Potenzial, aber auch die Verantwortung aufmerksam gemacht, die der organisierte Triathlonsport nach dem Weltmeistertitel von Daniel Unger hat. Wenn man die Möglichkeiten, die diese Sportart nach dem unglaublichen Erlebnis von Hamburg hat, besser nutzen will als nach der genauso sensationellen, aber für den Sport fast folgenlosen Silbermedaille für Stephan Vuckovic bei den Olympischen Spielen von Sydney 2000, muss man sich intensiv Gedanken über die Präsentation des Triathlons gegenüber Medien, Sponsoren und Öffentlichkeit machen. Ob das die Deutsche Triathlon Liga in der bisherigen Form leisten kann, ist fraglich. Ziel meines Kommentars war es keineswegs, destruktiv den mannschaftlichen Triathlonwettbewerb auf allen Ebenen zu verurteilen. Meine Intention war vielmehr die Forderung, neue Präsentationsformen für den Triathlon-Spitzensport (und nur um den ging es mir in dem Kommentar) im eigenen Lande zu finden.

Diejenigen, die es sich einfach machen wollten, konnten aus dem Kommentar nur eine zutiefst undemokratische Forderung ableiten: „Frank Wechsel muss weg!“ Ich will auf diese Gegenkritik nicht weiter eingehen – einerseits, da sie sich nur allzu wenig auf die Sache bezog, andererseits, da die erstaunlich große Mehrheit der Rückmeldungen die Forderung nach einem Umdenken durchaus unterstützte. Aus meiner eigenen Einschätzung und den Rückmeldungen derer, die sich eher inhaltlich als emotional mit meinem Kommentar auseinandersetzten – unter ihnen auch viele Athleten – lässt sich ein Katalog der Möglichkeiten und Visionen ableiten, der den Triathlonsport insgesamt nach vorn bringen kann. Zunächst erlaube ich mir aber eine kritische Bestandsaufnahme.

Die Deutsche Triathlon Liga – Pro & Contra

Dass das Konzept der Deutschen Triathlon Liga nicht nur Nachteile hat, ist unbestritten. Bei der gegenwärtigen Struktur handelt es sich schließlich um ein gewachsenes System mit einem – zumindest bei den Herren – guten regionalen Unterbau. Bei einigen Veranstaltungen sind teilweise hochrangige Topathleten am Start, die Ligastrukturen sind ein idealer Weg, Nachwuchsathleten an den Spitzensport heranzuführen.

Doch die Schwächen des Systems – vor allem unter dem Gesichtspunkt der Weiterentwicklung der Sportart auf höchster Ebene – sind weithin bekannt und wurden von mir auch gegenüber den Verantwortlichen immer wieder thematisiert: Alle Beteiligten beklagen sich stets über die mangelhafte mediale Aufmerksamkeit in der überregionalen Presse und selbst in den Fachmedien (durchaus auch in der von mir verlegten Zeitschrift triathlon). Wir in der Redaktion stellen objektiv ein deutlich geringeres und oftmals sogar konkret ablehnendes Leser- bzw. Userinteresse an der Berichterstattung über die Deutsche Triathlon Liga gegenüber anderen Formaten der Triathlonszene fest. Die bekanntesten deutschen Triathleten (aller Distanzen) halten sich inzwischen oftmals vom Ligabetrieb fern, starten aber bei ähnlichen (attraktiveren?) Serienveranstaltungen wie dem französischen Grand Prix. Athleten und Funktionäre beklagen sich über die teilweise unprofessionellen Veranstaltungen, bei denen die Ligastarts teilweise nur als „Beiprogramm“ zu den (wirtschaftlich interessanteren, da größeren) Starterfeldern in den offenen Wettbewerben durchgeführt werden.

Derjenige, der sich nicht regelmäßig mit dem Regelwerk und den Auswertemodalitäten der Liga beschäftigt, hat wenig Verständnis für die komplizierten Verfahren, nach denen sich am Jahresende ein Deutscher Mannschaftsmeister errechnet. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass immer wieder Zugeständnisse und Regelanpassungen nötig sind, um den Betrieb überhaupt aufrecht zu erhalten (Zweitstartrecht, Auf- und Abstiegsmodalitäten, keine 2. Liga Süd bei den Damen, unterschiedlichste Wettkampfformate, permanent unzuverlässige Terminkalender).

Das Ligakonzept ignoriert zudem den eigentlichen Charakter des Triathlonsports als klassische Einzelkämpferdisziplin. Ein Lernprozess aus der eigenen Historie und den Beispielen ähnlicher Sportarten (mangelhaftes Interesse an der Bundesliga im Schwimmen, Radfahren, Leichtathletik, Tennis, Boxen etc. gegenüber den Einzelwettbewerben) findet nicht statt. Letztendlich summieren sich alle Problematiken in der Abwesenheit von Medien, Öffentlichkeit und in letzter Instanz Sponsoren, so dass jede Ligasaison für die beteiligten Vereine ein finanzielles und aufgrund des unprofessionellen Zustandekommens des Wettkampfkalenders planerisches Wagnis darstellt.

Der 10-Punkte-Plan: Deutschland braucht eine starke Eliteserie!

Wenn man mit den Verantwortlichen der Deutschen Triathlon Liga spricht, fällt seit vielen Jahren oft der folgende Satz: „Wenn wir endlich einen Sponsor finden, machen wir alles besser!“ Doch auf den Sponsor wartet man seit Jahren vergeblich – daher ist es dringend Zeit für einen Strategiewechsel: Vielleicht findet sich der Sponsor ja erst, wenn man mit vereinten Kräften alles besser macht? Aus den eigenen Ideen und Erfahrungen des Redaktionsteams und den Rückmeldungen aus dem Ligabetrieb im Allgemeinen und auf meinen Kommentar im besonderen habe ich einen 10-Punkte-Plan zusammengestellt, der die Interessen aller Beteiligten vereinigen soll.

1. Back to the roots: Triathlon ist eine Einzelkämpfersport
Boris Becker, Dieter Baumann, Michael Groß, Erik Zabel, Fabian Hambüchen, Henry Maske – diese Namen haben Sportgeschichte geschrieben. In klassischen Einzelkämpfersportarten. Wer in all diesen Sportarten Sieger der Bundesliga wird, interessiert außerhalb der engen Grenzen des eigenen Ligabetriebs niemanden. Daraus sollten wir lernen: Wenn wir den Triathlonsport auf deutschem Boden fördern wollen, müssen wir ihn in seinen Stärken präsentieren und nicht in seinen Randformaten. Von den Fehlern anderer lernen – das sollte vor allem in einer noch jungen und dynamischen Sportart möglich sein. Und daher kann die Forderung nur lauten: Wenn wir eine Wettkampfserie etablieren wollen, funktioniert das nur über die Einzelwertung, der eine Mannschaftswertung durchaus untergeordnet werden kann. Von der Bundesliga zum Deutschland-Cup mit integrierter Deutscher Mannschaftsmeisterschaft – wie einfach sich das umsetzen lässt, werde ich unten noch ausführen.

2. Simplify your sport
Triathlon könnte so einfach sein: Schwimmen, Radfahren, Laufen. Auf standardisierten Streckenlängen. So wie die 1.500 Meter im olympischen Pool, die 25 Stadionrunden oder die nicht ganz so exakt definierte Streckenlänge eines Einzelzeitfahrens. Wer, der sich nur gelegentlich mit dem Triathlonsport beschäftigt wie ein Redakteur einer überregionalen Tageszeitung oder ein zufälliger Passant (der Triathlonwettbewerbe nur aus den wenigen Fernsehübertragungen von der WM in Hamburg, den Olympischen Spiele von Athen oder dem Ironman aus Frankfurt und Hawaii kennt), soll noch den Durchblick behalten, wenn wir fröhlich Teamsprints, Jagdstarts, Sprint- und olympische Distanzen mischen, um aus diesem Sammelsurium an Ideen am Ende einen offiziellen Deutschen Meister zu ermitteln? Die beiden großen Formate der Triathlonwelt, der ITU-Weltcup und die Ironman-Serie, sind auch aufgrund ihrer Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit so erfolgreich. Es gilt also, in der Eliteserie einmal kräftig aufzuräumen. Das Format, das international das größte Medieninteresse, die meisten Wettkämpfe und die höchste Leistungsdichte auf sich vereint, ist die olympische Distanz – daher gilt es, den Deutschland-Cup auf dieses eine Format zu vereinheitlichen.

3. Ein Format für alle
Von der Installation eines Deutschland-Cups müssen nicht nur die Eliteathleten profitieren: Da die meisten Veranstalter wirtschaftlich auf die Integration von offenen Startwellen angewiesen sind, lassen sich hier Deutschland-Cup-Wertungen für den Nachwuchs und die Altersklassen ausschreiben. Ãœber die größeren Starterfelder werden die Rennen damit wesentlich attraktiver für Rennorganisatoren, die die Austragung einer Liga oder Meisterschaft bisher eher als wirtschaftliche Belastung empfunden haben.

4. Von der Bundesliga zur Deutschen Mannschaftsmeisterschaft
Ein neues Einzelformat für die Elite schließt die parallele Fortführung eines ligaähnlichen Mannschaftsformats nicht aus: Jeweils am Freitag oder Samstag vor den Deutschland-Cup-Rennen über die olympische Distanz am Sonntag könnten die Läufe zur Deutschen Mannschaftsmeisterschaft ausgetragen werden. Dabei ist auf das Abschneiden alter Zöpfe und größtmögliche Transparenz Wert zu legen. Das von der ITU favorisierte Format ist dabei der Staffelwettbewerb, bei dem drei Athleten nacheinander jeweils einen Triathlon mit einem Drittel der Streckenlängen der Sprintdistanz absolvieren. Zuschauer und Medien können den Rennverlauf jederzeit ohne Taschenrechner verfolgen, die erste Mannschaft im Ziel ist auch der Sieger. In Leichtathletik und Schwimmen gehören die Staffelformate zu den spektakulärsten und prestigeträchtigsten Entscheidungen überhaupt – ganz ohne Addition von Platzziffern.

5. Die Stärksten als Partner
Jede Sportart hat ihr Mekka. Auch der Triathlon. Die Szene, Medien und Zuschauer schauen nach Hamburg, Roth, Buschhütten und Mannheim; die Liga allzu oft in die Provinz – Veranstaltungen mit Charme, aber weitab von Medien und Öffentlichkeit. Professionelle und erfolgreiche Veranstalter machen oftmals einen großen Bogen um die Deutschen Triathlon Union und deren Premium-Veranstaltungen, können sich mit den Bedingungen nicht anfreunden – oftmals herrschen unüberwindbare Probleme im gegenseitigen Verständnis von Geben und Nehmen. Es muss in der Zukunft darum gehen, die starken Veranstalter als Partner zu gewinnen – und nicht, sie weiter zu vergraulen. Ein professionelles Veranstaltungsmanagement auf nationaler Ebene kann dabei nur hauptamtlich gewährleistet werden. Auch die Zahl der Veranstaltungen sollte ganz klar definiert werden: Ein Weniger kann hier ein Mehr bedeuten, eine planbare Saison mit vier Wettkämpfen lässt sich besser in den nationalen und internationalen Terminkalender integrieren als ein nicht planbares Abenteuer mit vier oder fünf möglichen Rennen und zahlreichen Terminverschiebungen, die in den letzten Jahren an der Tagesordnung waren.

6. Zugpferde nutzen
Nach dem München Triathlon 2006 ging ein Aufschrei durch die Ligaszene, weil alle Medien am Tag nach dem Rennen über den Sieg eines (damals noch unumstrittenen) Lothar Leder berichteten – und nicht über die Siegermannschaft des am gleichen Tag ausgetragenen Ligarennens. „Die Medien“ wurden dabei pauschal als die Bösewichte verurteilt, die Beweggründe der Redakteure hat dabei aber niemand hinterfragt. Die Verantwortlichen der wichtigsten Serienveranstaltung sollten die medial erfolgreichen Spitzenathleten nicht länger als Feinde betrachten, sondern sie ins Boot holen. Nur mit Namen lassen sich Sponsoren gewinnen, Medien begeistern und Zuschauer an die Strecken locken. Um so wichtiger ist es, auch für diese vermeintlichen Stars ein attraktives Konzept zu entwickeln.

7. Ohne Moos nichts los
Kein potenzieller Sponsor, der in den letzten Jahren je eine Veranstaltung der Deutschen Triathlon Liga besucht hat, konnte sich zu einem großen, langfristigen und nachhaltigen Engagement in diesem Bereich entschließen – zu unprofessionell kamen die Rennen oftmals daher. Es fehlt komplett an einer schlüssigen CI: Benzinkanister als Bojen, Absperrgitter anstelle von Werbebanden und Leitergerüste als Zieltore vermittelten oft das Flair einer Baustelle statt das einer Spitzensportveranstaltung. Dabei gibt es kaum eine Sportart, die sich besser inszenieren lässt als der Triathlon – der aktuell hohe Status der Weltcuprennen, der Weltmeisterschaften in Hamburg oder die umfassende CI der Ironman-Serie machen das vielerorts eindrucksvoll vor. Hier müssen Pakete geschnürt werden, die nicht nur das jeweilige Wettkampfgelände, sondern auch die Website des ausrichtenden Verbandes, dessen Mitgliederzeitschrift, Plakate vor Ort etc. einschließen.

8. Athleten an die Front
Gesprächsangebote von Athleten, Medien und Veranstaltern zur Verbesserung der Strukturen und Kooperationen hat es eigentlich nach jeder Ligasaison gegeben – ebenso wie die abwiegelnden Versprechen, im kommenden Jahr werde sowieso alles besser. Eine immer noch junge Sportart wie der Triathlon ist ein höchst demokratisches Gebilde – Platzhirschen, die allen anderen vorgeben, wie der Sport zu funktionieren habe, darf es hier eigentlich nicht geben. Es ist an der Zeit, wirkliche Diskussionsrunden einzuführen und einen Rat zu bilden, in dem jede Interessengruppe vertreten ist.

9. Deutscher Meister – und dann?
Wer den Vereinssport im Triathlon fördern will, darf mit seinem Engagement nicht auf der nationalen Ebene aufhören. So wie es im Fußball Länderspiele und die Vereinspokal-Turniere gibt, könnten sich auch Cupsieger im Einzel und im Team auf internationaler Ebene messen – beim großen Saisonfinale. Die International Triathlon Union will das zuvor beschriebene Staffelformat fördern und langfristig olympiareif machen – ein Unterbau für das Staffelformat auf nationalen Ebenen fehlt aber noch völlig. Hier gilt es, internationale Mitstreiter zu finden.

10. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Beim Konzept der Deutschen Triathlon Liga wurde in den vergangenen Jahren immer wieder an den kleinen Schrauben gedreht – nie an den großen. Bei einem nun einsetzenden Denkprozess darf es daher keine heiligen Kühe geben – personell, lokal und ideologisch. Am Anfang müssen zwei zentrale Fragen gestellt werden: Wo kommen wir her? Wo wollen wir hin? Stillstand ist Rückschritt – so hieß mein Kommentar. Die Basis wurde jahrelang bereitet, nun gilt es – mit dem Weltmeistertitel von Daniel Unger im Gepäck und den Olympischen Spielen 2008 als Herausforderung und Chance – den Triathlon in einer sich wandelnden Sport-, Medien- und Sponsorenwelt zu verankern. Die Zukunft beginnt in jedem einzelnen Augenblick.

Sehr geehrte Damen und Herren, als Unternehmer habe ich es gelernt, auch Visionär zu sein. Ich hoffe, ich konnte Sie zumindest für einen Teil meiner Visionen begeistern – auch wenn Sie nicht mit meiner Meinung übereinstimmen, ich Sie aber zum Nachdenken angeregt habe, so habe ich mein Ziel erreicht.

Einer Sache sollten wir uns stets bewusst sein: Der Gewinner sollte am Ende der Sport sein und damit auch die Athleten, für die wir – Sie und ich – arbeiten und die es verdienen, dass wir ihnen ein passendes Umfeld bereiten. Ein Umfeld, auf dem sie ihre Träume verwirklichen können, für die sie weit mehr einsetzen als nur die 10, 20 oder 30 Trainingsstunden in der Woche.

Für Rückfragen, Diskussionen, Kritiken stehe ich gern zur Verfügung.

Mit freundlichem Gruß
Frank Wechsel

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